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ALLE GUTEN GEISTER (CD)

15,00 

CD “Alle guten Geister” [2014]
DERMENSCHISTGUTMUSIK 2014
Schüller & Band | VÖ: 03.07.2014
Digipak, 20-seitiges booklet

Artikelnummer: 2017-1 Kategorien: ,

Beschreibung

CD “Alle guten Geister” [2014] DERMENSCHISTGUTMUSIK 2014
Schüller & Band | VÖ: 03.07.2014
Digipak, 20-seitiges booklet

01. Baum gegenüber [04:24] 02. Alles ist Wald [04:19] 03. Irgendein [04:53] 04. Schöner als zuvor [03:23] 05. Weit mit dir [03:36] 06. Entweder oder [05:53] 07. Alle guten Geister [04:04] 08.Endlich zu Hause [04:46] 09. Drehen [04:06] 10. Immer weiter [04:33] 11. Vorbei [05:03] 12. Hier null acht [04:13] 13. Stein auf Stein [03:12] 14. Wünsch dir nicht [04:27] 15. Nimm dein Glück [04:17] 16. Zum Schluss [04:23]

Liebe, ein Wörlitzer GroundSound

“Alle guten Geister” von Ralph Schüller ist die CD des Jahres 2014 und wird lange halten, was sie nicht einmal verspricht, denn eitel ist der Sänger nicht

Von Wiglaf Droste

Es gibt eine halbe Handvoll deutschsprachiger Sänger, die Substantielles zu sagen haben. Zu den beiden Granden Danny Dziuk und Hans-Eckardt Wenzel hat sich Ralph Schüller hinzugesellt. Der in einem Kleinkaff bei Suhl in Thüringen aufgewachsene, in Leipzig lebende Musiker und Liedpoet, unterdessen Mitte Vierzig, veröffentlicht seit Jahren Lieder, die zum Feinsten gehören, was man in deutscher Sprache gesungen anhören kann. Mit seinem jüngsten Album “Alle guten Geister” begibt er sich in eine Höhe, vor der ich niederkniee wie sonst nur vor den oben schon Genannten, vor Bob Dylan, Randy Newman und, vor allen anderen, vor dem größten kleinen Mann der Welt, vor Van The Man Morrison.

Schüllers an Goethe und Brecht geschulte, aber immer eigentonlicher gewordenen
Texte zielen auf das Wesentliche, auf den Kern, kreisen es ein, treffen es ohne auftriumphierende Pointenfixiertheit und beweisen, als handele sich dabei um eine Anstrengungslosigkeit, dass Klugheit und Gefühl untrennbar eins sind. Der Dichter liebt, kennt und erkennt das Leben, lebt und feiert es, unaufdringlich musisch und poetisch. Es ist das Leichte, das am schwersten zu machen ist.

Mit den Worten “Gib mir deine Hand, dein Haar, deinen Mund und dann fliegen wir aus, Vergiss das Telefon und das ganze Gerümpel” beginnt das Liebeslied “Weit mit dir”. Es ist von olympischer Höhe wie von vulkanischer Tiefe, gesungene Liebeslava, er singt vom “Feuer im Blick”, und wer weiß, der weiß, wie heiß das ist, doch gesungen ist es eben, wie es sich gehört, wie Cava gekühlt, was die Hitze entscheidend statt scheidend erhöht.

In Schüllers Lieder ist eine feinstoffliche Mediterranität eingezogen, in der das große Meer des Lebens begriffen ist, das uns jeden Tag ergreift, wenn wir uns nicht medial banalisieren und brachialisieren lassen.

Hier auf den Punkt, hier auf der Linie, die wir uns täglich ziehn, ein Pflaster auf dem Herz, eins auf den Knien, steht ein Versprechen, ein unsichtbarer Thron, das haben wir, das haben wir davon”, singt Schüller in “Entweder oder”, und dazu spielt Rainer Schön ein Wurlitzer und wörlitzerparkschönes Piano, dass man vor Freude gleichzeitig heult und lacht. Und so schließt sich der Kreis, denn Rainer Schön spielt so gut Klavier und Orgel wie sonst nur Danny Dziuk, und Akkordeon spielt er auch noch, beinahe so schön wie Heidi Eichenberg, aber wer könnte das schon?

“Alle guten Geister” ist ein Lebensalbum. Da hat es einer kapiert und gibt kein müdes Mü damit an. “Endlich zu Hause, wo ich dich summen höre”, singt er. Da summelhummelundbrummel auch ich, ohne jedwedes Gegrummel.

Schüller: Alle guten Geister, 1 CD, 16 Lieder, Dermenschistgutmusik 2014

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Review

Schüller: Alle guten Geister (2014)
Deutschland, Deine Künstler.
Bin ich froh, dass Ralph Schüller kein Mainstream ist. Er wäre sonst vielleicht ein Spielball der ewigen Kopie, die Wiederholung einer Wiederholung, das Zitat eines Covers. Statt Ödnis und farbloser Befriedigung kommt nun ein Wahnsinnsalbum: „Alle guten Geister“. Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis sich der Leipziger Künstler nach „Kein Entkommen“ zu einem neuen Opus entschlossen hat. Aber was für eines!
Schon die Bilder auf der CD-Hülle und dem Einschlag, zwei Ausschnitte aus den „Jenaer Briefen“ sind seine grandiose malerische Vorbereitung auf die nachfolgende Musik. Denn Ralph Schüller erzählt keine Geschichten, besteht nicht auf moralisch-narzistische Gaukeleien. Er fängt Stimmungen ein, mit seltsam bildhaften Fragmenten, deren Zusammenspiel ein Lächeln, ein Achselzucken oder tiefe Traurigkeit verraten. Der Zuhörer wird dabei zum Teilhaber. Das ist es. Und das ist hohe Kunst. Das Leerstellenwunder eines Heinrich Heine (für die, die Heine nicht nur als Etikett pervertieren). Das Cover zeigt den schiefen Turm, der aus einem Grill erwächst, der seinerseits von einer Katze eingerahmt ist, die von einem Gespenst aus der Horizontalen beobachtet wird. Rechts unten wendet sich derweil der zwergenhafte König ab, in der Hand einen Nagel als Zepter. Die surrealistische Leiter ist nur noch eine Ruine.
Und dann die Songs. Bah, was für eine Reise! „Baum gegenüber“ als Opener verspielt, mit einem tollen Finale, folgt „Alles ist Wald“. Das ist großartige Musik mit zauberhaften Lyriks, ein Wechselbad von Kontrasten und einem zarten Chorus, den man so noch nicht gehört hat. Unglaublich. Und dann „Irgendein“, ein Song, der schon vor über 15 Jahren geschrieben und auf den Konzerten von Ralph Schüller wiederholt gespielt wurde. Der Schritt von der Beliebigkeit in das Konkrete mit einer krängenden Violine (Ole Sterz) und einem schlingernden Akkordeon (Rainer Schön). Auch hier wird man gefangen, getrieben, staunt mit offenem Mund, vergisst das Atmen. Und das hört einfach nicht auf. „Schöner als zuvor“ ist selbst im Midtempo behutsam arrangiert, ein Balanceakt zwischen der flüchtigen Hast unseres Seins und einer flitzenden Orgel (wieder Rainer Schön) … Und wenn es auf diesem hohen Niveau überhaupt einen Höhepunkt gibt, geben kann, dann findet man ihn im siebten Stück. Nur die Gitarre und Ralph Schüller auf den Spuren von Eichendorffs Taugenichts, ernst, kritisch, nachdenklich … Danach muss man eine Entscheidung treffen. Das sei vorweggenommen. Grundsätzlich.
Ich weiß nicht. Wenn man eine CD nur dann kauft, wenn man sie wie ein fremdes Land beschreiten und immer wieder neu erfahren kann, wenn man Musik also als persönliche Entdeckung erfahren möchte, muss man von allen guten Geistern verlassen sein, „Alle guten Geister“ nicht anzuhören.

Dr. Stefan Schneider, Melbourne im Juli 2014

Leipziger Volkszeitung, 09. Juli 2014 – download