SCHÜLLER – „Leichte Beute“
Das neue Album | 15 Lieder  
40seitiges booklet, illustriert
Veröffentlichung: 2. Juli 2023 

01 „Dass wir uns vergessen“ – Im Dunkel und Hell 
02 „Keine Ahnung“ – Die Wiesen ganz ordentlich herunter gemäht 
03 „Ein Tor ist ein Tor ist ein Tor“ – Schon wird geschossen 
04 „Einmal hin“ – Rennsteig oder lieber doch Hawaii? 
05 „Gib mir einen Grund“ – Mach mich gut 
06 „Ein schwarzes Ohr …“ – Wie man mit Flügeln verschwinden kann 
07 „Jagen und Sammeln“ – Friss mir aus der Hand und ich dir 
08 „Feuer am Fluss“ – In kleinen Geräuschen zerbricht 
09 „Malen nach Zahlen“ – Ja, ja , ja 
10 „Etwas“ – Und dann gehen wir 
11 „Gräm dich nicht“ – Floristen und Faschisten 
12 „Halte dich im Süden“ – Und alles ganz alleine 
13 „So weit nach Mitternacht“ – So nah an neuer Zeit  
14 „Topfschlagen“ – Irgendwo muss dieser Stein sein 
15 „Ganz so leicht ist das nicht“ – Verschwinde, verschwinde! 

Label: DerMenschIstGutMusik
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Frizz Das Magazin Leipzig (Juni 2023)

Krieg und Kompott

Ein Record-Release-Konzert der Extraklasse. Am 5. Juni stellte der Leipziger Musiker Schüller mit acht fantastischen Musikern das neue Album „Leichte Beute“ im Krystallpalast Varieté Leipzig vor.
—- Eine Konzertrezension von Mathias Schulze —-

Alles beginnt mit einem Schreckmoment. Kaum haben Gunter Schwarz (E-Gitarre), Miko Mikulicz (Geige), Anton Sterz (Trompete), Marcel Winkler (Bass), Jann van de Kaast (Schlagzeug), Ralf Schmidt (Mundharmonika), Frank Oberhof (Akkordeon) und Claudia Herold (Cello) an ihren Instrumenten Platz genommen, kaum haben sie sich für ein wildes, verspieltes und leidenschaftliches Zusammenspiel der kommenden zwei Stunden in Stellung gebracht, fällt das Scheinwerferlicht des Krystallpalast Varietés Leipzig auf Texter und Sänger Ralph Schüller: Der Kopf ist nach unten geneigt. Als er langsam zur Publikumsbegrüßung ansetzt, offenbart sich eine Fratze.

Weiße Schminke im Gesicht, mittendrin verschmierte rote und grüne Farbtupfer. Ein Lächeln, ein Grinsen und ein „Hallo“: „Welcome, Babys!“ Wer jetzt nicht an Batmans „Joker“ denkt, kann seinem kulturellen Gedächtnis mit dem gleichnamigen Film auf die Sprünge helfen. Pochend, bedrängend, beschwörend und meditativ aufwühlend stellt die Band sogleich einen fetten Südstaaten-Blues in den Raum, der Joker krallt sich mit dem dunkel-religiösen Song „Dass wir uns vergessen“ unsere Eingeweide: „Dass die Welt nicht vergeht / Mensch und Maus / Dass wir uns vergessen / Im An und im Aus.“ Welcome, Babys!

Was ist hier los? Kennt man Schüller vorrangig als Musiker, dessen Alben geprägt sind von süßer Schwermut und einer mediterranen Leichtigkeit, kann man nun durchaus zucken. Warum diese Maske, warum dieser freakige Auftakt? Hat Schüller einen künstlerischen Stilwechsel vollzogen? Tatsächlich ist dieser erste Eindruck beim Hören des neuen Albums „Leichte Beute“ nicht von der Hand zu weisen. Die neue Platte erscheint dunkler, irrsinniger und schwerer als die vorangegangenen Alben. Von einem Stilwechsel ist dennoch nur bedingt zu sprechen. Schüllers Poesie kreiste schon immer um das in gesellschaftlich-politischen Strukturen eingekesselte Subjekt, um die Widersprüche der Verhältnisse, die sich auch im Inneren austoben. Schüllers Kunst sucht schon immer das Lebenswerte in einer kriegerischen Welt, das oft im Rückzug, in der Natur, in einfachsten Tätigkeiten wie dem Kochen oder dem Streicheln der Katze zu finden war. „Wiegen, Wickeln, Essen“ heißt so ein Meisterwerk, das zusammen mit Danny Dziuk gesungen wurde. Bei Schüller finden sich viele sommerleichte und mehrfachbödige Hymnen auf den fallenden Schnee, auf die Sterne am Himmel, auf das ansprechbare „Du“, das dem zweifelnden „Ich“ Halt geben kann. Kurze Momente der Harmonie, kurze Augenblicke der Versöhnung.

Nur wie kann ein innerer Frieden heute noch möglich sein? Pandemien und Kriege, Umweltkatastrophen, Verteilungskämpfe und gesellschaftliche Parallelwelten stellen uns radikal in Frage. Was denkst du? Wie lebst du? Was tust du? Steuern die Kinder und Kindeskinder schon zielsicher der Apokalypse entgegen? Pestizide in deinen Erdbeeren, Brände in deinen Wäldern, die Weltbilder fallen von den Wänden – und werden immer radikaler und entschlossener wieder aufgehangen. Keine Versöhnung, nirgends. Also wirst du zynisch, kalt, berechnend und leicht wahnsinnig, irgendwie musst du ja auch weiterlaufen. Also berichten die Texte des neuen Albums von Zerrissenheiten, von brüchig gewordenen Paradiesen, von einer absurden Komplexität, die nicht mehr zu denken, sondern nur noch zu fühlen ist. In „Ein Tor ist ein Tor ist ein Tor“ heißt es: „Kaum aus dem Bett, die Lautsprecher senden / Krieg und Kompott und das Jahr fast vorbei / Der Winter wird kommen / Kein Heu mehr zu wenden / Mehr Umsatz, mehr Tote und mehr Polizei“. Also wird die Musik energischer, hitziger, abgründiger und schwermütiger.

Wie sehr die Zeiten zusetzen, erkennt man auch am fast schon tollwütigen Zusammenspiel der Musiker. Ein stimmiges Kollektiv, ein freundschaftliches Halten, Tragen und Ergänzen. Hier auf der Bühne, hier beim Musizieren ist es noch möglich. Also bringt man mit existenzieller Kraft sein Instrument zum Klingen, also schenkt man sich eine künstlerische Selbstbehauptung, die vom Lächeln des Anderen nur noch mehr angestachelt und stimuliert wird. Schüller und Band transportieren einen Spaß und eine ansteckende Freunde ins Publikum, die bei routinierten Mehrzweckhallen-Musikern schon mal verloren gehen kann.

So gehen die unterschiedlichsten Einflüsse (Folk, Country Blues, Rock, Jazz, Polka oder Metal) direkt in den Bauch, so vermittelt die Kommunikation der Musiker eine Freundlichkeit, die immer seltener zu finden ist. So setzen die assoziativen Texte Schüllers die Fantasie des Publikums in Gang. Songs, die nicht gängeln. Die Texte schenken interpretatorische Freiheiten.

Ein Schüller-Konzert ist ohne schnoddrige Kommentare nicht zu haben. Dass sie selten einstudiert klingen, macht es umso sympathischer. So ruft es mal von der Bühne herab: „Ach, Jürgen, du bist auch da? Jetzt hab ich dich gesehen!“ Am Ende gibt es stehende Ovationen, Verneigungen wären auch angemessen. Und kaum steht man – noch vibrierend von Leben und Energie – auf der Straße, rasen schon wieder Polizei-Autos mit Blaulicht durch die milde Frühlingsnacht. Schüller hat mit „Leichte Beute“ und mit Band, Kollegen und Freunden den Soundtrack für unsere Gegenwart in die Welt gestemmt. Es sind Songs für eine Zeit, in der der liebe Gott dem Teufel einen scharfen Schnaps ausgeben will. Chapeau!

Schüller, alle Termine in Leipzig und Umgebung unter www.ralph-schueller.de

Text: Mathias Schulze 


Schwere Schätze

Rezension zu Schüllers „LEICHTE BEUTE“ von Dr. Stefan Schneider | deutschinbildern

Der Herzschlag der Drums im ersten Song hört nicht auf. Er reicht weit über das Ende der neuen CD von Ralph Schüller. Und hinterlässt Sie berührt, betroffen, befangen.Sicher.

Dieses wundervolle Album zu hören, heißt HÖREN. Und dann VERHARREN. Und dann SEHEN. Denn die fünfzehn Songs sind jedes für sich eine Bildersammlung. Die Bilderauswahl scheint dabei absurd banal, fast alltäglich, wiederholt gewöhnlich. Wir kennen diese Bilder. Sie sind uns eigen. Von Beginn an. Nur, dass wir auf sie normalerweise nicht mehr achten. Hier werden diese Bilder erinnert und raffiniert kom-biniert. Zu einer magischen Galerie der Nichtigkeiten. Und damit gelangen Sie zu der drängenden Frage hinter dieser Musik: War da nicht noch etwas mit unserem Leben?

So lässt sich das Besondere dieses Albums finden: Wer Predigten, moralische Redundanzen oder wenigstens das Gute zur eigenen Befriedigung hören möchte, wird enttäuscht. Ralph Schüller ist kein Priester. Sie bekommen keine Absolution, nicht einmal eine wie auch immer geartete Bestätigung. Sie sind schon selbst verantwortlich. Wann, wenn nicht jetzt. Das ist keine Frage!Sie wissen doch alles. Längst und lange genug: Wir heilen so langsam, wir heilen so spät.

Auch Anspieltipps sind völlig bedeutungslos. Denn Sie werden immer wieder neue Schätze heben. Mein Favorit ist in diesen Minuten die Ballade Ein Tor ist ein Tor ist ein Tor. Dieser Song ist so absolut zauberhaft. Den, nein, das werden Sie nicht mehr los. Das berühmte Zitat von Gertrud Stein wird hier völlig neu durchgespielt. Gott, wie kann dieser Text nicht ein trauriges Lächeln auslösen?

Im Ganzen erinnert das Album an die melancholischen Genien von Element of Crime. Aber die Songs erzählen nicht Geschichten des Scheiterns, sondern malen Bilderwelten der Wehmut. Nur sparsam findet sich ein Augenzwinkern oder ein politischer (dann aber unmissverständlicher) Fingerzeig. Im Vergleich zu den früheren Produktionen sind die Songs deutlich gitarrenlastiger und gitarrenverliebter angelegt, mit einer schwebenden Posaune, einem romantischen Akkordeon, einer Violine auf den Punkt und einem Sänger, dessen ernste Stimme… ja was?

Und während ich diese Zeile schreibe, höre, entdecke ich Etwas. Und muss wirklich anhalten. Stocke, staune, bin sprachlos über dieses behutsame Anti-Kriegslied: Eine Tapferkeitsmedaille, die den Namen „Idiot“ verdient.

Deutsch in Bildern

Stefan Schneider

SCHÜLLER – Danke. Schade.

Doppel-CD „SCHÜLLER – Danke. Schade.“ [2020]

DERMENSCHISTGUTMUSIK 2020
INDIGO – CD 197142
VÖ: 02.07.2020
Digipak, 44-seitiges Booklet mit allen Texten
Spielzeit: 95 min

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CD 1 01 Danke (03:59) | 02 Es ist gut (03:57) | 03 Mein Lieb (05:20)| 04 Wunschballon (04:53) | 05 Hält der Wind (03:32) | 06 Trödeln (06:46) | 07 Wohin, wie weit (04:34) | 08 Fruchtbar und furchtbar (04:53) | 09 Bleib mir auf den Fersen (05:03)

CD 2 10 Schön schief, schön schön (04:43) | 11 Du bist 15 (07:15) | 12 Wohin das führt (07:55) | 13 Und es war (04:13) | 14 So wie du aussiehst (05:33) | 15 Gleich (05:18) | 16 Dieser Himmel, wir Idioten (04:43) | 17 Ist es nicht so (07:33) | 18 Schade (05:07)


Leipziger Volkszeitung | 1. Juli 2020


SCHALL. Musikmagazin | Juni 2020
MENSCHENVERBINDENDES
Das Gesamtkunstwerk Ralph Schüller
von Torsten Gränzer

Ralph Schüller ist nicht nur in Wort und Musik, sondern auch bildender Künstler und dies alles findet sich in einem Gesamtkunstwerk, welches dieser Bezeichnung in einer musikverramschenden Streaming-Welt noch gerecht wird. Hier sind also die Liebhaber gefragt, die sich durch die 18 Songs des Doppelalbums im selbstgestalteten Digi-Pack mit 44seitigem Booklet arbeiten und sowohl auf eine textliche, als auch auf eine graphische und musikalische Erlebnisreise begeben dürfen. Die Bilder sind zu den einzelnen Songs entstanden: „Ich habe mir die Texte hingelegt, die Musik angehört und verschiedene Zeichnungen gemacht, die zur Stimmung passten oder Zitate aus den Liedern aufgriffen. Nicht konservativ, so dass auf dem Bild zu sehen ist, was im Text vorkommt. Ich fasse das etwas weiter und somit wird auch das Musikalische erweitert. Mir geht es in den Bildern wie in den Texten darum, nicht eingeschränkt zu sein oder mit dem Holzhammer daherzukommen. Für mich sind die Gestaltungen die Fortführung der Poesie im Bildnerischen…“ beschreibt der in Leipzig lebende Künstler die bis in das Abstrakte führende Gestaltung beider Kunstformen. Der Begriff „Liedermacher“ wird Ralph Schüller zumindest nicht im klassischen Sinne gerecht. Zu umfangreich sind die musikalischen  Einflüsse: „Schon als wilder Jugendlicher wurde ich von südamerikanischer Gitarre, Heavy Metal, Udo Jürgens und Schmidtchen Schleicher beeinflusst. Auch durch Folk und Hip Hop, Dylan, Waits, die Poques, einfach alles…“ So gestaltet sich auch sein eigenes Repertoire aus Polka, Folk, einer Prise Disko-Funk und Balladeskem: „Es wird eben, was es wird. Ich will mich mit der Musik nicht selbst langweilen und auf einem Sommerfest genauso gut spielen können, wie in einem kleinen Theater. Und ich will immer wieder etwas darin entdecken können, wie in einem gutem Buch, das man mehrmals lesen muss, auch mit ein paar Jahren Abstand.“ Auf diese Bandbreite sollte das Publikum bei einem Schüller-Konzert eingestellt sein und auch darauf, dass es schon aufgrund seiner Mitstreiter*innen an jedem Tag anders erlebbar sein kann. Neben der „klassischen“ Bandbesetzung aus Drumset, Bass und verschiedenen Gitarren, kommen gerne Akkordeons und Streich- oder Blasinstrumente dazu. Schüller gibt es solo, zu zweit, im Trio oder wahlweise größer. Zu den Aufnahme-Sessions in den Midas-Studios kamen glücklicherweise alle. Zum Beispiel der in Berlin lebende, 76jährige tschechische Jazz-Musiker Joe Kučera am Saxophon, dessen Improvisationen im Zusammenspiel mit der Gitarre von Knut Schwarz in „Ist es nicht so“ zu einer fast psychedelischen Angelegenheit wird. Anton Sterz an der Trompete und am Bass ist Ralph Schüllers Sohn, Sängerin Wencke Wollny ist auch als „Karl die Große“ unterwegs. Posaunistin Antonia Hausmann, Banjospieler Thomas Niedzwetzki, Schlagzeuger Jann van de Kaast, die Bassisten Marcel Winkler und Hendrik Gundlach, Tastenmann Rainer Schön, Violinist Miko Mikulicz und Jana Hagen (Ukulele, Gesang) vervollständigen das Ensemble auf „Danke. Schade.“ Der Pool an Musikern gestaltet sich vor allem aus Kontakten der Leipziger „Liedertour“, einer kulturell anspruchsvolle Non Profit-Veranstaltungsreihe, die vom rührigen Organisator Frank Oberhof – der bei Schüller auch Akkordeon und Metallophon spielt – nun bereits im 30. Jahr vor allem auf Kleinkunst-Bühnen im deutschsprachigen Raum etabliert worden ist. Als sprachliche Prägungen fallen bei Ralph Schüller Namen von Wader bis Wecker und Wenzel bis Gundermann, aber auch Udo Lindenberg wird zitiert. Dabei wird er nicht zum Mahner mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern eher zum Geschichtenerzähler mit einem weiten  Interpretationsraum. „Es gibt ein paar klare Statements zur Politik oder zur Liebe, aber eben auch viele Nuancen. Nur schwarz und weiß würde sehr einschränken.“ „Es ist gut“ zum Beispiel ist ein Song, der klares verheißt, wie es die Textzeile „Schreibst du Fotze und Neger und mehr Flugzeugträger in dein verdammtes Niemandsland“ ausdrückt. „Seit fast 5 Jahren haben diese Polarisierungen nach links, rechts und neoliberal große Dimensionen angenommen. Vor dreißig Jahren dachte ich noch, dass hier heute Raumschiffe fliegen würden und wir uns nicht mehr mit diesem Scheiß auseinandersetzen müssen.“ Aber auch hier agiert kein Mahner. „Ich mache keine großen Statements oder Manifeste. Wie kann ich argumentieren, ohne zu sagen, dass ich genau weiß, wie es geht? Auf eine kleine Blume unterm Schnee, auf die könnte man sich verständigen. Ich glaube, es gibt niemanden, der sie nicht als etwas friedliches empfindet, es sei denn, er ist völlig krank.“ Dabei geht Schüller, auch aus Angst, Geschichte könne sich wiederholen, auf die Frustrierten zu und fragt: „Was wollen wir miteinander, was können wir gemeinsam schaffen? Ich trete in Dialog mit denjenigen, in einer freundlichen Weise, aber auch mit einer gewissen Enttäuschung. In der Zeit aber, in der wir miteinander reden, können wir nicht aufeinander schießen…“ Der heute als Graphiker arbeitende Künstler, der während seiner Armee-Zeit, „also an einem dunklen Ort eigentlich“ im Mal- und Zeichenzirkel Freunde kennenlernte, die ihn zum Studium nach Leipzig brachten, erinnert sich auf dem Album gerne an seine Vergangenheit. „Du bist 15“ zeigt eine eindrucksvoll melancholische Welt des Erwachsenwerdens, die sich im Osten und Westen gleich anfühlt: „… du hast nichts zu verlieren, nur das Zittern in den Knien“. Immer wieder sind sehr liebevolle, menschenverbindende Momente zu finden. „Wenn man sich nahe kommt, ist es eine tolle Sache, dass wir befähigt sind, uns auszutauschen. Oft aber leider auch nicht. Die Miss-Kommunikation ist ein Grund dafür, dass so viel Scheiße stattfindet…“


Rezension (© Deutsch in Bildern)

Sind Liedermacher nicht schon immer Independent-Musiker gewesen? Wenn dem so wäre, wäre Ralph Schüller zweifelsohne deren radikalisierte Form. Er ist so verdammt anders, kunstvoll, sperrig, feinfühlend, anachronistisch. Letzteres besonders. Wer käme auch auf den Gedanken, im Zeitalter eines kurzfrequentierten Musikkonsums eine Doppel-CD mit deutschsprachiger Musik zu publizieren? Wer würde auch im Zeitalter ausgeklügelter Produktionsstrategien die Instrumentierung der 70er Jahre zitieren? Und wer käme auf den Gedanken, 18 Stücke einzuspielen, die jedes für sich ein flüchtiges Neben-bei ausschließen. Das hat mit Haltung zu tun. Mit Mut. Und mit Eigenwillen. Wer das für eine rhetorische Finte hält, sollte sich nur „Trödeln“ (erster Anspieltipp) anhören. Was für eine zauberhafte Hymne auf die Entschleunigung in dieser zerrissenen, wie irre geschleuderten Welt.

Eigensinn wäre also das mindeste, was man Ralph Schüller zubilligen könnte. Aber das ist zu wenig. Die beiden Silberlinge sind wundervoll. Und bunt. Und sie verweigern sich ei-nem geraden Weg. Das war schon immer so. Ralph Schüller schert sich nicht um Mainstream. Er skizziert mit einer außergewöhnlichen Bildersprache Melancholie und Zweifel und Sentimentalität. Dass er dabei Mosaiksteine (s)einer Ostsozialisation nutzt, etwa in „Du bist 15“ (zweiter Anspieltipp), macht diese Musik noch persönlicher. Und dazu kommt ein Booklet, das seinesgleichen sucht. Kunstvoll waren und sind die CD-Beilagen bei Ralph Schüller schon immer gewesen: Wimmelbilder für aufmerksame Betrachter. Um nur ein Beispiel anzudeuten: Das Cover zitiert (bewusst!) ein Bildelement aus dem letzten Release von 2017 „Sterne hoch“. Nur wo?

Und dann ist einiges neu. So sind die solistischen Ausflüge der Mitmusiker ein echter Gewinn. Wie etwa die Violine von Miko Mikulicz in „Wunschballon“ (dritter Anspieltipp) kongenial die Lyrics begleitet, ist einfach wunderbar. Oder man höre auf das Saxophon von Joe Kučera, das beinahe im Klezmer-Stil das Opener „Danke“ mitreißend pointiert. Neu ist aber auch der Humor in den Stücken. Der Reggae „Wohin das führt“ (vierter Anspieltipp) ist beispielsweise am Ende so überraschend absurd, das man einfach lachen muss. Versprochen!

Ein Fazit? Ganz einfach: Das „Danke“ muss unbedingt reziprok gebraucht werden.

© Deutsch in Bildern

STERNE HOCH

CD „STERNE HOCH“ [2017]

DERMENSCHISTGUTMUSIK 2017
VÖ: 24.05.2017
Digipak, 36-seitiges booklet

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01. Alle Steine an dein Fenster – [04:40] 02. Wo der Mond mit großem Gesicht – [04:59] 03. Hör nicht auf, halt nicht an – [05:53] 04. Hoffentlich ein Liebesbrief – [04:45] 05. Wiegen, wickeln, Essen feat. Danny Dziuk – [04:39] 06. Vielleicht das Paradies – [05:29] 07. Und das Andere auch – [04:04] 08. Sinn und Unsinn – [05:50] 09. So und so und so – [06:57] 10. Sonntag der Dreizehnte – [04:20] 11. Sterne hoch – [05:17] 12. Trinkspruch vor Mitternacht – [06:15]
13. Rette mich – [05:41] 14. Wölkchen überm Meer – [04:20]

oder → iTunes –> Apple Music


Studiosession bei MDR Kultur


Leipziger Volkszeitung | Juni 2017


Juni 2017 | Mitteldeutscher Rundfunk
von Heidi Eichenberg

Ralph Schüller: “Sterne Hoch”
„Singer/Songwriter? – Nein, aus Leipzig. Liedermacher? – Nein, nicht betroffen genug. Chanson? – Jein, auf Deutsch. Wenn jemand in Mitteldeutschland auf diesen musikalischen Pfaden auf Entdeckungsreise geht, trifft ihn früher oder später die Frage: „Kennste das neue von Ralph Schüller?“ Seit Mitte der 90er-Jahre ist der HGB-studierte Maler und Grafiker als Schüller & Band ein Begriff für zuversichtliche Melancholie, wahrhaftige Poesie und irre guten Groove. Musikalisch weltoffen und doch so beruhigend geerdet, in den wesentlichen Fragen nach dem Glück und wie man es oft knapp verfehlt, liegen manchmal das Geheimnis und der Schlüssel für neuen Lebensmut. Fünf Sterne für „Sterne hoch“. „(he)

Mathias Schulz | NEUES DEUTSCHLAND

Poesie im Sommerkleid

Ein großer Kleinkünstler. Der Leipziger Ralph Schüller bringt mit „Sterne hoch“ ein starkes Album deutscher Liedermacherei.

„Zur Blütezeit der Fastfood-Zivilisation / Der Einheitsmeinung, der Geschmacksautomation /
Der Plastikgefühle und der High-Tech-Lust / Der Wegwerfbeziehung mit dem Einwegfrust /
Zur Zeit der Fertigträume aus der Traumfabrik / Der Mickymaus-Kultur und der Steckdosenmusik.“ Reinhard Meys Lied „Ein Stück Musik von Hand gemacht“ ist über 20 Jahre alt, der Vorliebe großer Stars, aus Konzerten bombastische Ereignisse zu machen, wird ein Bekenntnis entgegengehalten: „Da lob ich mir ein Stück Musik von Hand gemacht / Noch von einem echten Menschen mit dem Kopf erdacht.“ Der begnadete Liedermacher Ralph Schüller, Jahrgang 1968 und heute in Leipzig lebend, kennt die Eventisierung des substanziellen Zauberwesens namens Live-Konzert. Seine Sache ist dies nicht, bei seinen Konzerten liest er zwischendrin eigene kleine Texte oder Gedichte vor. Und plötzlich, sitzend in einem Leipziger Café, will er doch die großen musikalischen Massenpartys kommentieren. Schüller kramt ein kabarettistisches Meisterstück von Jonny Buchardt aus dem Jahr 1973 hervor, stattgefunden hat es auf dem Kölner Karneval. Buchardt animierte damals die Massen mit Verve: „Zicke-Zacke, Zicke-Zacke!“ Die Massen schleuderten ihm rauschhaft „Heu, Heu, Heu“ entgegen. Dann der Bruch, mitten in der Massenektase brüllte Buchardt: „Sieg!“ Was laut aus dem Publikum folgte, fängt mit „H“ an und hört mit „eil“ auf. Erzählte Alltagsgeschichten statt moralisch-ästhetischer Empörung. Das ist sein Konzept, Schüller kommt in Plauderlaune. Der gebürtige Suhler ist gelernter Elektromechaniker, schon zu DDR-Zeiten griff er zur Gitarre, das Dichten als ein notwendiges Mittel, um im Alltag nicht den utopischen Moment zu verlieren. Liedermacherei als Selbstschutz, Kunst als Mittel, um während der Armeezeit, während der ganzen „Militärscheiße“, nicht zu verblöden. Die Inspirationen kamen von Bob Dylan, Pink Floyd, Gerhard Schöne oder Hans-Eckardt Wenzel. Schüller greift zur Menthol-Zigarette und blickt zurück: „Es wird oft nur davon geredet, dass DDR-Künstler ihre Botschaften zwischen den Zeilen verstecken mussten. Dabei ist das das Wesen der Poesie, das wird dann nicht mehr gesagt.“ Heute sind Schüllers Lieder, gerade hat er seine neue Platte „Sterne hoch“ veröffentlicht, kleine Meisterwerke. Die Texte sind raffiniert, assoziativ und doppelbödig, ein mehrfaches Hören führt zu immer neuen Nuancen. Natürlich geht es um die großen Themen: Leben, Lieben, Verzweifeln, Entscheiden, Hoffen, Ankommen, Gehen und Sterben. Nie verstellt aber explizit Eindeutiges den Deutungshorizont, nie werden die Lieder zur egomanen Nabelschau, die sich der Besonderheit eigener Empfindungsfähigkeit rühmt. Oft finden sich gelungene Naturbilder, die dem Menschen ein Warum schenken. So kommt einer zum anderen, so entdeckt man Brüder im Geiste. Kein Geringerer als der Komponist und Songschreiber Danny Dziuk, der beispielsweise für Annett Louisan, Axel Prahl und Stoppok Lieder geschrieben hat, spielt und singt auf Schüllers neuer CD. Man höre den Song „Wiegen, Wickeln, Essen“, schon die ersten Zeilen sind ein Genuss: „Ein Koffer voller Leben, viel zu schwer. / Eine Bahnstation sieht den Zügen hinterher.“ Schüller, seine Band ist mittlerweile zum Sextett gereift, kann sich auf musikalisch große Kleinkünstler verlassen, Multiinstrumentalisten von 31 bis 75 Jahren spielen bei ihm Gitarre, Mandoline, Mundharmonika, Akkordeon, Ukulele, Schlagzeug, Metallophon und Saxophon. Es entsteht ein optimistisches, ein exotisch-globales, ein luftiges Sommerkleid-Klangbild, dass sich durch alle Platten zieht. Irgendwo zwischen Element of Crime und Neil Young, mitten zwischen französischen Chansons und amerikanischen Folk pendelt der dynamisch-entspannte Sound. Rhythmusideen sammelt Schüller, der auch als Maler und Grafiker arbeitet, beim Laufen, beim Radfahren. Oft ist es der Reim, der behilflich ist, einzelne Zeilenideen zum Ganzen zu führen. „Gelingt es mir, dann bekomme ich auch schon mal Gänsehaut und stoße ein buddhistisches Danke in den Nachthimmel“, so Schüller. Im Song „Sinn und Unsinn“ heißt es: „Die Nacht war so klug, / Der Morgen eher beengt. / Wie das Meer immer wieder / Alles Gute verschenkt.“ Kann man das menschliche Pendeln zwischen Idealismus und Erdenschwere poetischer präzisieren? Schüller will keine Botschaften vertonen, stimmige und metaphorische Bilder sind ihm wichtiger, sein Publikum will er über das Gefühl erreichen: „Ich mache ansonsten genügend Dinge, um in der Gesellschaft zu funktionieren.“ So ein Musiker verfeinert unsere Sinne, ein gutes Stück Musik von Hand gemacht eben. Schüller schenkt auch live erbauliche Fülle. Und das ist das Gegenteil von Sinnesbetäubung. …


CD „Alle guten Geister“ [2014]

DERMENSCHISTGUTMUSIK 2014
Schüller & Band | VÖ: 03.07.2014
Digipak, 20-seitiges booklet
CD bestellen hier
–> HÖREN (auf soundcloud)

01. Baum gegenüber [04:24]
02. Alles ist Wald [04:19]
03. Irgendein [04:53]
04. Schöner als zuvor [03:23]
05. Weit mit dir [03:36]
06. Entweder oder [05:53]
07. Alle guten Geister [04:04]
08.Endlich zu Hause [04:46] 09. Drehen [04:06]
10. Immer weiter [04:33]
11. Vorbei [05:03]
12. Hier null acht [04:13]
13. Stein auf Stein [03:12]
14. Wünsch dir nicht [04:27]
15. Nimm dein Glück [04:17]
16. Zum Schluss [04:23]

Liebe, ein Wörlitzer GroundSound

„Alle guten Geister“ von Ralph Schüller ist die CD des Jahres 2014 und wird lange halten, was sie nicht einmal verspricht, denn eitel ist der Sänger nicht

Von Wiglaf Droste

Es gibt eine halbe Handvoll deutschsprachiger Sänger, die Substantielles zu sagen haben. Zu den beiden Granden Danny Dziuk und Hans-Eckardt Wenzel hat sich Ralph Schüller hinzugesellt. Der in einem Kleinkaff bei Suhl in Thüringen aufgewachsene, in Leipzig lebende Musiker und Liedpoet, unterdessen Mitte Vierzig, veröffentlicht seit Jahren Lieder, die zum Feinsten gehören, was man in deutscher Sprache gesungen anhören kann. Mit seinem jüngsten Album „Alle guten Geister“ begibt er sich in eine Höhe, vor der ich niederkniee wie sonst nur vor den oben schon Genannten, vor Bob Dylan, Randy Newman und, vor allen anderen, vor dem größten kleinen Mann der Welt, vor Van The Man Morrison.

Schüllers an Goethe und Brecht geschulte, aber immer eigentonlicher gewordenen
Texte zielen auf das Wesentliche, auf den Kern, kreisen es ein, treffen es ohne auftriumphierende Pointenfixiertheit und beweisen, als handele sich dabei um eine Anstrengungslosigkeit, dass Klugheit und Gefühl untrennbar eins sind. Der Dichter liebt, kennt und erkennt das Leben, lebt und feiert es, unaufdringlich musisch und poetisch. Es ist das Leichte, das am schwersten zu machen ist.

Mit den Worten „Gib mir deine Hand, dein Haar, deinen Mund und dann fliegen wir aus, Vergiss das Telefon und das ganze Gerümpel“ beginnt das Liebeslied „Weit mit dir“. Es ist von olympischer Höhe wie von vulkanischer Tiefe, gesungene Liebeslava, er singt vom „Feuer im Blick“, und wer weiß, der weiß, wie heiß das ist, doch gesungen ist es eben, wie es sich gehört, wie Cava gekühlt, was die Hitze entscheidend statt scheidend erhöht.

In Schüllers Lieder ist eine feinstoffliche Mediterranität eingezogen, in der das große Meer des Lebens begriffen ist, das uns jeden Tag ergreift, wenn wir uns nicht medial banalisieren und brachialisieren lassen.

Hier auf den Punkt, hier auf der Linie, die wir uns täglich ziehn, ein Pflaster auf dem Herz, eins auf den Knien, steht ein Versprechen, ein unsichtbarer Thron, das haben wir, das haben wir davon“, singt Schüller in „Entweder oder“, und dazu spielt Rainer Schön ein Wurlitzer und wörlitzerparkschönes Piano, dass man vor Freude gleichzeitig heult und lacht. Und so schließt sich der Kreis, denn Rainer Schön spielt so gut Klavier und Orgel wie sonst nur Danny Dziuk, und Akkordeon spielt er auch noch, beinahe so schön wie Heidi Eichenberg, aber wer könnte das schon?

„Alle guten Geister“ ist ein Lebensalbum. Da hat es einer kapiert und gibt kein müdes Mü damit an. „Endlich zu Hause, wo ich dich summen höre“, singt er. Da summelhummelundbrummel auch ich, ohne jedwedes Gegrummel.

Schüller: Alle guten Geister, 1 CD, 16 Lieder, Dermenschistgutmusik 2014


Review

Schüller: Alle guten Geister (2014)
Deutschland, Deine Künstler.
Bin ich froh, dass Ralph Schüller kein Mainstream ist. Er wäre sonst vielleicht ein Spielball der ewigen Kopie, die Wiederholung einer Wiederholung, das Zitat eines Covers. Statt Ödnis und farbloser Befriedigung kommt nun ein Wahnsinnsalbum: „Alle guten Geister“. Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis sich der Leipziger Künstler nach „Kein Entkommen“ zu einem neuen Opus entschlossen hat. Aber was für eines!
Schon die Bilder auf der CD-Hülle und dem Einschlag, zwei Ausschnitte aus den „Jenaer Briefen“ sind seine grandiose malerische Vorbereitung auf die nachfolgende Musik. Denn Ralph Schüller erzählt keine Geschichten, besteht nicht auf moralisch-narzistische Gaukeleien. Er fängt Stimmungen ein, mit seltsam bildhaften Fragmenten, deren Zusammenspiel ein Lächeln, ein Achselzucken oder tiefe Traurigkeit verraten. Der Zuhörer wird dabei zum Teilhaber. Das ist es. Und das ist hohe Kunst. Das Leerstellenwunder eines Heinrich Heine (für die, die Heine nicht nur als Etikett pervertieren). Das Cover zeigt den schiefen Turm, der aus einem Grill erwächst, der seinerseits von einer Katze eingerahmt ist, die von einem Gespenst aus der Horizontalen beobachtet wird. Rechts unten wendet sich derweil der zwergenhafte König ab, in der Hand einen Nagel als Zepter. Die surrealistische Leiter ist nur noch eine Ruine.
Und dann die Songs. Bah, was für eine Reise! „Baum gegenüber“ als Opener verspielt, mit einem tollen Finale, folgt „Alles ist Wald“. Das ist großartige Musik mit zauberhaften Lyriks, ein Wechselbad von Kontrasten und einem zarten Chorus, den man so noch nicht gehört hat. Unglaublich. Und dann „Irgendein“, ein Song, der schon vor über 15 Jahren geschrieben und auf den Konzerten von Ralph Schüller wiederholt gespielt wurde. Der Schritt von der Beliebigkeit in das Konkrete mit einer krängenden Violine (Ole Sterz) und einem schlingernden Akkordeon (Rainer Schön). Auch hier wird man gefangen, getrieben, staunt mit offenem Mund, vergisst das Atmen. Und das hört einfach nicht auf. „Schöner als zuvor“ ist selbst im Midtempo behutsam arrangiert, ein Balanceakt zwischen der flüchtigen Hast unseres Seins und einer flitzenden Orgel (wieder Rainer Schön) … Und wenn es auf diesem hohen Niveau überhaupt einen Höhepunkt gibt, geben kann, dann findet man ihn im siebten Stück. Nur die Gitarre und Ralph Schüller auf den Spuren von Eichendorffs Taugenichts, ernst, kritisch, nachdenklich … Danach muss man eine Entscheidung treffen. Das sei vorweggenommen. Grundsätzlich.
Ich weiß nicht. Wenn man eine CD nur dann kauft, wenn man sie wie ein fremdes Land beschreiten und immer wieder neu erfahren kann, wenn man Musik also als persönliche Entdeckung erfahren möchte, muss man von allen guten Geistern verlassen sein, „Alle guten Geister“ nicht anzuhören.

Dr. Stefan Schneider, Melbourne im Juli 2014

Leipziger Volkszeitung, 09. Juli 2014 – download

CD „Kein Entkommen“ [2010] DERMENSCHISTGUTMUSIK 2010
Schüller & Band | VÖ: 26.05.2010
Digipak, 16-seitiges booklet

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01. Großes Glück [05:05]
02. Dein Wort [03:42]
03. Morgensonne [03:30]
04. Finden wir uns [04:11]
05. Ganz dicker Fisch [04:19]
06. Unterwegs [03:54]
07. So ein Sommer [06:15]
08. Sag mir nicht [05:23]
09. Ich will ja [05:48]
10. Viatka [05:11]
11. Heute Nacht [06:07]
12. Alles durcheinander [03:56]
13. Kein Entkommen [03:28]
total time: 60:43

Thomas Laukel – Schlagzeug, Percussion, Cajon
Almut Unger – Flöte
Rainer Schön – Piano, Orgel, Keyboard, Akkordeon, Gesang
Hendrik Gundlach – Bass, Spielautomat (»Ich will ja«), Soundeffekte
Ralph Schüller – Gitarre, Gesang
Nathalie Schüller – Gesang (»Finden wir uns«)
Alayah, Nathalie, Feli, Alex, Mo, Tom, Friedemann – Strandlaternen-Chor »Unterwegs«
Kai-Michael Gustmann – Text-Korrekturen
ranef.de – Grafikdesign, Fotos
Johannes Kirchberg – DerMenschistgutMusik
Texte & Musik – Ralph Schüller »Ich will ja« – Musik: Rainer Schön / R. Schüller

Presse: Leipziger Volkszeitung, 03.06.2010

Lieder vom Glück, dem großen selbstredend

Schueller & Band versprühen heute im Klanggarten mehr Lebensmut als ein Regal voller Selbsthilfe-Psycho-Schwarten

Ralph Schüller ist HGB-studierter Maler und Grafiker. Er macht sehr lange schon die Bühnen des Landstrichs mit allerlei Musik unsicher, spielte Metal, Hardcore sogar, und mit gleicher Begeisterung auch beschwingten Folk. Seit zehn Jahren sind es nur noch eigene Lieder, die er in seinen Bands singt, einige erinnern sich eventuell noch des heißen Insidertipps „schönertag“. Seit Mitte der 90er firmiert das praktischerweise unter „Schueller & Band“, deren erste CD war vor drei Jahren ziemlich originell „Grüße aus Bad News“ benamt.
Die Bezeichnung „Liedermacher“ mag er nicht sehr, das schmeckt ihm leicht fade nach Klage und Betroffenheit, „Singer/Songwriter“ ist ihm dagegen zu amerikanesk. Auf die Frage nach den musikalischen Wegweisern befragt, fallen ohne lange Kunstpause die Namen Gundermann, Wenzel und Element of Crime. Tatsächlich beschreibt dies seine Musik recht treffend, vielleicht darf einfach mit „Chanson auf Deutsch“ etikettiert werden.
Was die Lieder des neuen Albums „Kein Entkommen“ vor allem auszeichnet, ist ihre attitüdenfreie Lockerheit, ihr erfrischend-sturer Optimismus, das freundliche Bestaunen der Welt. Schüller erkundigt sich beharrlich nach dem Glück. Dem großen selbstredend, unter dem macht er es nicht. Das Schöne daran: Wer wie er ständig auf der Suche nach ihm ist, stets mit hellwachen Sinnen und voller Dankbarkeit für die Wunder des Alltags, der findet es auch allerorten. Davon singt Ralph Schüller und verschenkt dabei weise lächelnd mehr Lebensmut als ein Regal voller Selbsthilfe-Psycho-Schwarten. Viele gute Musiker haben die Platte eingespielt, unter anderen der einschlägig bekannte Hendrik Gundlach. Der sorgte auch für Mix und Mastering, was schon mal als Garant für ein gewisses Qualitätslevel gelten darf. Das Plattenlabel heißt „dermenschistgutmusik“ und wird vom leider stadtflüchtigen Leipziger Chansonnier Johannes Kirchberg betrieben. Eine gute Heimat.
Live funktioniert die Unternehmung als Trio. Neben Thomas Laukel an verschiedensten Rhythmuserzeugern spielt Rainer Schön sein schon von der Haase-Band her bekanntes, ebenso filigranes wie einfühlsames Piano. Umsichtig legt Schön nebenbei auch noch die nötigen Basslinien aus. Beide zusammen zaubern einen ordentlichen Groove unter Schüllers Lieder, das erzeugt live richtig Druck, ohne dass die Klangtransparenz darunter leidet. Der Meister selbst entfacht auf der Bühne einen charmanten Wirbelwind aus Stegreif-Episoden, eingestreuter Lyrik und entspannter Interaktion mit dem Publikum. Er gibt Konzerte zum Wohlfühlen, malt launig bezaubernd-farbige Welten in die Luft. Ob sie das an der HGB lehren?Lars Schmidt
iDie Record Release Party findet heute Abend um 20.30 Uhr im Klanggarten (Könneritzstraße 63) statt. Der Eintritt ist frei, doch der Platz ist begrenzt! Das Schüllernetz: Band und Texte www.ralphschueller.de; Malerei und Grafik www.ranef.de; sein Raum www.myspace.com/ralph.schueller
Ralph Schüller – Kein Entkommen – Review – 2010

Was für ein Zeitensprung. Man mag die Stubenfliegenproduktionen „ABC“ (2003) und „Grund genug“ (2004), dann die wunderbaren „Grüße aus Bad News“ (2005) staunend betrachten, fünf Jahre später gibt es „Kein Entkommen“. Es ist eben nicht einfach mehr, sondern besser, komplizierter. Auch – und das passt so gar nicht in unsere Welt – weniger aussichtslos. Optimistisch also? Na, ich wäre vorsichtig.

Der Leipziger Musiker und Geschichtenerzähler Ralph Schüller präsentiert mit seiner neuen CD dreizehn Lichter, gebrochen durch das Prisma einer wahrlich verspielten Band. Schon die musikalischen Zitate zeigen, wie vielfältig die neue Produktion geraten ist. Zwischen einem Slow Fox („Ganz dicker Fisch“) und einer Rumba mit irre genialen Quick Step- Anleihen („Unterwegs“), zwischen Walzeranspielungen („Sag mir nicht“) und Jivetakten („Alles durcheinander“) wird dem Zuhörer eine ganze Palette an Rhythmen eröffnet. Keiner wiederholt sich. Dazu kommt eine Begleitung jenseits der üblichen Konventionen.

Dass Ralph Schüller sich künstlerisch kaum festlegen mag – „Wo du ratlos in allen Schubfächern suchst“ – wer zweifelt nach dieser CD noch daran. Dass er überdies aus der Welt der Farben stammt, ergibt sich beinahe von selbst. Deshalb auch laden die Texte zum Entdecken ein. Dass Ralph Schüller immer neue und überraschend widersprüchliche Bilder sucht – und der Zuhörer dies mit Erstaunen hört, macht seine Musik – und die neue CD – zu etwas Besonderem. Die Verse scheinen versteckt politisch – verweisen aber zumeist auf das Alltägliche und sind so absurd einfach, dass man in ihnen Poesie erfährt. Man kennt die Metaphern. Aber man hat sie noch nie gehört oder gelesen. Also sieht man die Welt mit dieser Musik anders? Die Frage stellen, heißt sie beantworten.

Vielleicht auch, weil jedes Lied wie ein intimer Dialog arrangiert wurde. Das WIR ist bei Ralph Schüller immer ein DU und ein ICH. Die dritte Figur ist nur der schmetterlingshafte Beobachter (oder Zuhörer). Selten hat es beispielsweise eine so schöne Liebeserklärung gegeben, wie am Schluss dieser CD. – Gefangen!

Stefan Schneider

Marbella, im Juli 2010

CD „Grüße aus Bad News“ [2005] RUM-RECORDS/loewenzahn-verlag
Ralph Schüller & Band

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Titelliste:

  1. Zweiter Abschied [04:37]
  2. Alle Viere [03:36]
  3. Wach auf, wach ein [04:00]
  4. Mein Haus [05:39]
  5. Ich finde dich [03:44]
  6. Geh [03:48]
  7. Auszug [04:19]
  8. Schlaf [03:54]
  9. Novembre [02:33]
  10. Bleib schön [04:59]
  11. Hier [04:53]
  12. Jämmerlicher Tag [03:00]
  13. Lied aus der Küche [05:31]
  14. Wenn du willst [03:16]
  15. Licht aus [05:55]

Ralph Schüller & Band
Vom Land der Gauloises und einer Französin hat Schüller das romantische Chanson gestohlen. Er kombiniert es mit deutschen Texten, die die “Bad News“ aus der Zeitung schnell durchschauen und vergessen machen. Hier geht es um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Ein Kind, das einer Möwe nachläuft. Um die Liebe sowieso. Aber auch um den unbarmherzigen Eisbären, der morgens mit kaltem Bein die euphorische Nacht beendet. Romantik ohne Rüschen, sagt der Liedermacher dazu.
Es sind die Gegensätze des Alltags, die Schüller in wunderbare Geschichten einfädelt. Er beobachtet ganz genau sein Umfeld ­ schließlich hat der gebürtige Thüringer in Leipzig Malerei und Grafik studiert. So baut er einen schaurig schönen Tag rings um einen Mund voll Schokolade. Beschreibt die melancholische Heimkehr ebenso wie den Auszug aus einem lang vertrauten Haus.
Großes Glück und kleine Gemeinheiten liegen dicht beieinander. Für Zeilen wie „Wach auf, wach ein und bleib bis der Morgen kommt und uns an alle verrät“ gab es den Text-Sonderpreis beim deutschen Liedermacherfestival Goldene Hoyschrecke. Mehr als poetisch berührend sind die zart-bitteren Chansons über Trennung und Abschied. Hier trifft Schüller direkt ins Herz. Überstrahlt wird alles von einer behutsamen Musik, deren Schönheit schwer zu fassen ist. Sie umspielt selbst böse Verse mit Großmut und Heiterkeit. Bei jedem einzelnen der fünfzehn Lieder seiner neuen CD „Grüße aus Bad News“ wünscht man sich, dass es nicht aufhören wird. Ein Rausch, vergleichbar nur mit einer Französin. Oder einer Gauloises.

Jens Rometsch

CD „Grund genug“ [2004] Stubenfliegenproduktion / Eigenverlag
Solo

(die CD ist leider ausverkauft, aber für 10 € verschicken wir alle Lieder als MP3 + booklet mit allen Texten – einfach per E-Mail dafür anfragen)

Titelliste:

  1. Kein Mensch [04:37]
  2. Morgen [03:36]
  3. Lange Nacht [04:00]
  4. Beweg dich nicht [05:39]
  5. Grund genug [00:00]
  6. Eins und eins [03:44]
  7. Tut mir leid [03:48]
  8. Wenn du willst [04:19]
  9. Zigarettenlänge [03:54]
  10. Stadtcafé [02:33]

CD „ABC“ [2003] Stubenfliegenproduktion / Eigenverlag
Solo

(die CD ist leider ausverkauft, aber für 10 € verschicken wir alle Lieder als MP3 + booklet mit allen Texten – einfach per E-Mail dafür anfragen)

  1. Jämmerlicher Tag [04:37]
  2. Irgendein Land [03:36]
  3. Eisbär [04:00]
  4. Rummelplatz [05:39]
  5. Wohin, wie weit [03:44]
  6. Komm [03:48]
  7. ABC [04:19]
  8. Wenn du nicht da bist [03:54]
  9. Grüße von mir [02:33]
  10. Ich, ich, ich [04:59]
  11. Eins, zwei, zwei [04:53]
  12. Erni & Bert [03:00]
  13. Endlich [05:31]